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Vertragsstrukturen im Energiegroßhandel | Teil 3: Portfoliomanagement

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Die strukturierte Beschaffung basiert auf geplanten Absätzen/Verbräuchen. Da jedoch die realen Lastgänge nicht vollständig abdecken werden können, müssen Abweichungen durch Toleranzen und Restmengenlieferung abgefangen werden. Diese Unsicherheit bei den Verbrauchsprognosen berücksichtigen Händler in angemessenen Risikoaufschlägen. Mit dem Portfoliomanagement können Unternehmen wesentlich agiler auf den zunehmenden Wettbewerb reagieren und von den volatilen Energiemärkten partizipieren.

Definition Portfoliomanagement

Im Energiegroßhandel versteht man unter Portfoliomanagement die Zusammenstellung und Verwaltung eines Portfolios an Beschaffungs- und Absatzverträgen mit Blick auf die erwarteten Marktentwicklungen. Dies umfasst den Handel zur Beschaffungs- oder Absatzoptimierung, die Energiebeschaffung, die Absatzvermarktung sowie das Risikomanagement.

Im Gegensatz zur strukturierten Beschaffung können prinzipiell alle physischen und finanziellen Produkte des Energiegroßhandels sowie die Eigenerzeugung verwendet werden.

Ziel ist es, durch eine Aufteilung der Bezugsquellen und einer fein aufeinander abgestimmten Auswahl von Großhandelsprodukten, die Beschaffungskosten trotz der Marktrisiken, nachhaltig zu senken und damit ein Maximum an Kosten- und Preisvorteilen zu generieren.

Welche Voraussetzungen für das Portfoliomanagement notwendig sind, welche Vorteile und weitere Herausforderungen es mit sich bringt, sind Bestandteil dieses Beitrags.

Voraussetzungen

Grundvoraussetzung für die Teilnahme am Energiegroßhandelsmarkt ist entweder eine Börsenzulassung für den Spotmarkt, für den Terminmarkt oder für den Spot- und Terminmarkt oder eine Zulassung zum Börsenhändler (bei natürlichen Personen). Ferner sind Unternehmen, die am Energiehandel teilnehmen, nach dem KonTraG verpflichtet ein Risikomanagement zu implementieren.
Um maximale Kosten- und Preisvorteile zu realisieren, müssen Unternehmen, weiterhin über ein umfangreiches Marktwissen sowie über detaillierte Kenntnisse zur Beschaffenheit der Energieprodukte verfügen. Darüber hinaus müssen sie in der Lage sein, aktuelle Entwicklung der Gesetzgebung und der Energiemärkte zu bewerten und zu berücksichtigen.
Mit diesen Anforderungen sind zusätzliche personelle, zeitliche und betriebswirtschaftliche Aufwendungen und Maßnahmen notwendig.
Das Portfoliomanagement wird oft mit der Energiebeschaffung oder dem Energiehandel gleichgesetzt und ist daher i.d.R. organisatorisch diesen Bereichen des Unternehmens zuzuordnen.

Zu den Bestandteilen eines umfassenden Portfoliomanagements gehören u.a.:

  • Marktzugang
  • Festlegen und Dokumentation der Handelsstrategien für die Portfolios
  • Strukturierung/Bewirtschaftung der Portfolios(Grundsätzlich ist es möglich, eine detaillierte Aufteilung in viele Portfoliosvorzunehmen. In unseren Erläuterungen beschränken wir uns auf die allgemeinen Portfolios Energiebeschaffung und -vertrieb.)
  • geeignete Software für Erstellung von Lastprognosen und Fahrplänen, Portfoliomanagement, EDM, Bilanzkreismanagement, Risikomanagement, Abrechnung, u.a.
  • Personal
  • Marktbeobachtung und –analyse
  • Ein- und Verkauf von Produkten
  • Abwicklung und Abrechnung
  • Risikomanagement und –controlling
Organisation im Unternehmen

Da Unternehmen nach dem KonTraG zum Aufbau eines Risikomanagements verpflichtet sind, sollte sich der Aufbau der Organisationsstruktur des Handelsbereichs an den „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk) orientieren. Aus den MaRisk erfolgt eine organisatorische Trennung, typischerweise in Frontoffice, Middle Office und Backoffice.

Abbildung 1: Typische Organisationsstruktur nach MaRisk

Vorteile und Herausforderungen

Das Portfoliomanagement bietet Unternehmen die Möglichkeit, aus einer Vielzahl an Produkten und Beschaffungszeitpunkten zu wählen. Somit kann jederzeit auf Nachfrageänderungen und Preisschwankungen reagiert werden. Zudem sind die Kosten der Energiebeschaffung für die Unternehmen transparent. Mit der entsprechenden Handelsstrategie können nicht nur Kosten eingespart, sondern auch Gewinne erzielt werden.

Um jedoch den Energiebedarf kostenoptimiert zu decken und flexibel auf Änderungen in der Nachfrage bzw. im Preis zu reagieren, sollte das Portfoliomanagement am realen Absatz ausgerichtet werden.

Wie bei der strukturierten Beschaffung werden Prognoselastgänge im ¼-Stunden-Raster generiert und diese in Standardhandelsprodukte zerlegt. Orientiert sich das Portfoliomanagement nun am realen Absatz, sollten die Mengen der Portfolios Beschaffung und Absatz fortlaufend miteinander abgeglichen werden. Oft ergibt sich daraus eine Differenz zwischen diesen Mengen, die offenen Positionen. Die Ursachen dafür sind verschieden. In erster Linie möchte ein Unternehmen die Chance nutzen, um einen Erlösüberschuss zu erzielen.

Die Herausforderung der Händler besteht bei der Bewirtschaftung der Portfolios in den Risiken, die sich durch die offenen Positionen und durch Preisschwankungen ergeben.

Um diese Marktrisiken tatsächlich niedrig zu halten, sind neben einem Höchstmaß an Marktkenntnis, Maßnahmen zur Risikobegrenzung erforderlich.

Ausschlaggebend ist dabei die Auswahl der geeigneten Handelsstrategie (insb. die Beschaffungsstrategie), die auf die Unternehmensstrategie und die Risikoneigung des Unternehmens abgestimmt werden muss. In einer Beschaffungsstrategie werden daher u.a. die Mengen, Handlungsräume, Limits und Risikokennzahlen (z.B. Value at Risk, Profit at Risk) definiert. Das Risikocontrolling gibt den Verantwortlichen mit einem unabhängigen Berichtswesen (Risikoberichte), der Überwachung der Limits oder Szenarioanalysen einen objektiven Überblick und unterstützt diese bei der Steuerung der Risiken.

Zur Unterstützung der Prozesse des Portfoliomanagements und des Risikomanagements muss darüber hinaus in geeignete Hard- und Software investiert werden.

Tatsächlich existieren in der Praxis kleinere Unternehmen, die ihren Handel mit den gängigen Office-Anwendungen bewältigen können. Dennoch sollte jedes Unternehmen entsprechend seiner Anforderungen prüfen, was für die minimale Ausstattung an Hard- und Software notwendig ist. Denn mithilfe geeigneter Software kann auch das Personalrisiko verringert werden. So führen Anwendungen Plausibilitätsprüfungen durch, besitzen ein Vier-Augen-Prinzip und auch gesteuerte Freigabeprozesse.

Fazit

Auch wenn das Unternehmen beim Portfoliomanagement mehr Risiken zu berücksichtigen hat als bei allen anderen Modellen, können die Risiken mit einem entsprechenden Risikomanagement gesteuert und die Marktchancen genutzt werden.

Ob sich der Aufbau und die Unterhaltung eines Portfoliomanagements im Unternehmen finanziell rechnen oder das Portfoliomanagement ein Dienstleister übernimmt, muss im Einzelfall individuell ermittelt werden. Dies lässt sich am besten durch eine Kosten-Nutzen-Analyse bewerten. Besonders für Unternehmen wie Stadtwerke oder Industriekunden übersteigen die hohen Kosten für den Aufbau und das Betreiben einer eigenen Handelsabteilung die Erlöse bzw. vermiedenen Kosten.

Vertragsstrukturen im Energiegroßhandel | Teil 2: Strukturierte Beschaffung

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Die Vollversorgung stellte vor der Liberalisierung der Energiemärkte die häufigste Form der Beschaffung dar. Um die Energiebeschaffung flexibler zu gestalten und zugleich die damit verbundenen Risiken zu reduzieren, lassen sich unterschiedliche Preismodelle und Vertragsklauseln einsetzen. Sie sind der erste Schritt von der Vollversorgung zur strukturierten Beschaffung.

Wichtigste Grundvoraussetzung für das Konzept der strukturierten Beschaffung ist eine möglichst genaue Abbildung des eigenen Energiebedarfs in die Zukunft. Abhängig von den verschiedenen Standardhandelsprodukten (Base, Peak) sowie strukturierten Produkten (Fahrpläne), wird die benötigte Gesamtmenge in Teilmengen zerlegt und zu unterschiedlichen Zeitpunkten beschafft. Folglich zählen die Auswahl der richtigen Produkte, der Einkaufszeitpunkte und die Ermittlung des voraussichtlichen Bedarfs zu den größten Herausforderungen.

Welche Gestaltungsmöglichkeiten es in diesem Beschaffungsmodell gibt, ist Gegenstand dieses Beitrags.

Fahrplanlieferung

Ein gängiges Produkt der strukturierten Beschaffung ist die sog. Fahrplanlieferung. Zu diesem Zweck wird auf Grundlage des individuellen Lastgangs ein sog. Fahrplan zur Lieferung (Stunden-, Tages- und Monatsfahrpläne) erstellt. Fahrplan meint in diesem Kontext die Prognose der benötigten Energiemengen je Zeiteinheit. Die Energiemenge wird dann entsprechend des ermittelten Fahrplans und zu einem festgelegten Preis (abhängig vom Preismodell) bezogen. Die benötigte Menge wird über Standardhandelsprodukte zu Großhandelspreisen am Markt eingekauft.

Da die Beschaffung anhand des erstellten Fahrplans erfolgt, übernimmt der Abnehmer das Mengenrisiko im Falle einer Abweichung. Der Lieferant muss dadurch dieses Risiko nicht in den Nettoenergiepreis einkalkulieren und kann bessere Preise anbieten als z.B. bei der Vollversorgung. Abweichungen von der vereinbaren Liefermenge sind i.d.R. nur möglich, wenn dieses vorab vertraglich z.B. durch Toleranzmengen (vgl. unten) festgelegt wurde. Andernfalls werden Toleranzmengen häufig verbrauchsscharf zu Spotmarkt-Preisen zwischen Lieferant und Kunde abgerechnet.

Um die Vorteile einer Fahrplanlieferung nutzen zu können, muss der Prognoseverbrauch mit hoher Genauigkeit dem realen Verbrauchsprofil entsprechen. Gerade für Großkunden mit einem heterogenen Verbrauchsprofil kann die Fahrplanlieferung das grundlegendste Element der strukturierten Beschaffung sein.

Bandlieferung

Die Bandlieferung gilt als eine spezielle Form der Fahrplanlieferung, bei der die Energie für die gesamte Vertragslaufzeit mit einer konstanten Menge geliefert wird, unabhängig vom realen Bedarf. Das heißt, zu jeder Stunde des Lieferzeitraums wird dieselbe Energiemenge geliefert. Es können verschiedene Bandprodukte (Jahres-, Saison-, Quartals- oder Monatsband) miteinander kombiniert werden. Dabei ist lediglich zu beachten, dass die stündliche Liefermenge nicht größer als der minimale Stundenverbrauch des prognostizierten Bedarfs ist.

Da der Energiebedarf eines Unternehmens zeitlichen Schwankungen unterliegt, eignet sich die Bandlieferung zur Deckung des langfristigen Grundbedarfs. Vorteile der Bandlieferung sind die langfristige Preisabsicherung und eine damit verbundene Planungssicherheit.

Abbildung 1: Prognostizierter Bedarf und Teilabdeckung dieses Bedarfs durch Bandlieferung

Vertikale Tranchen

Im Gegensatz zur Bandlieferung, die nur Grundlast abdeckt, wird beim vertikalen Tranchenmodell der prognostizierte Bedarf in unterschiedlich strukturierte Tranchen aufgeteilt. So können verschiedene Terminmarktprodukte wie „Monat“, „Quartal“, „Saison“ und „Jahr“ miteinander kombiniert werden. Die Bandlieferung kann so durch weitere Produkte ergänzt werden.

Abbildung 2: Beispielhaftes Beschaffungsszenario mit vertikalen Tranchen (Monatstranchen)

Dies hat den Effekt, dass der Preis der einzelnen Tranchen dichter am tatsächlichen Marktpreis liegt. Häufig wird dieser Effekt als Vorteil wahrgenommen. Ob dies tatsächlich ein Vorteil ist, hängt in der konkreten Situation am Markt ab, d.h. der Entwicklung des Preises.

Kombination horizontaler und vertikaler Tranchen

So können verschiedene Terminmarktprodukte wie „Monat“, „Quartal“ und „Jahr“ miteinander kombiniert werden. Die Bandlieferung kann so durch weitere Produkte ergänzt werden.

Abbildung 3: Beispielhaftes Beschaffungsszenario bei Kombination vertikalen und horizontaler Tranchen

Fixingzeitpunkt Volumen (MWh) Preis €/MWh Laufzeit Produkt
02. Sep 8.760 28,82 01.01.2017 – 31.12.2017 Jahr Base
16. Sep 2.160 32,00 01.01.2017 – 31.03.2017 Quartal Base
03. Jan 720 20,67 01.05.2017 – 30.05.2017 Monat Base

Die Volumina der verschiedenen Base-Produkte errechnen sich aus der Anzahl der Liefertage und der täglich zu liefernden Menge. Die zu liefernde Menge  Strom der Phelix-Base-Futures (Terminmarktprodukte) beträgt 24 MWh pro Tag.

Da der Einkäufer beim vertikalen Tranchenmodell die Möglichkeit hat, neben Jahresprodukten auch Quartals- und Monatsprodukte einzusetzen, verlagert er die Beschaffungszeitpunkte in das Lieferjahr hinein. Das heißt durch die Kombination der verschiedenen Produkte, werden die Tranchen für verschiedene Lieferzeiträume (Quartal, Monat) beschafft.

Durch die frei wählbaren Mengen und Streuung der Beschaffungszeitpunkte kann der Energiekunde den Bezugspreis steuern und gleichzeitig das Preisrisiko stark reduzieren. Der Kunde kann so kurzfristig auf Marktveränderungen reagieren und von diesen profitieren. Um diese Vorteile zu generieren, sind die genaue Marktbeobachtung und Analyse der Großhandelspreise Grundvoraussetzungen. Dafür ist energiewirtschaftliche Sachkenntnis unverzichtbar.

Die Tranchenbeschaffung kann entweder automatisiert oder manuell erfolgen. Bei der manuellen Beschaffung wählt der Einkäufer die Beschaffungszeitpunkte und Menge selbstverantwortlich. Der Lieferant beschafft seinerseits entsprechend der Anweisung die Energiemenge, z.B. an der Börse. Oft wird dieses Modell von den Lieferanten erst ab einer bestimmten Mindestabnahmemenge angeboten und kommt so für kleinere und mittel große Kunden nicht infrage. Zudem wird für die manuelle Beschaffung ein gewisses Fachwissen seitens der Abnehmer vorausgesetzt. Nicht jedes Unternehmen hat die Ressourcen, dieses aufzubauen.

Die automatisierte Tranchenbeschaffung kann eine geeignete Möglichkeit sein, durch einen festgelegten Beschaffungsrhythmus und mit Hilfe von Preislimits die Vorteile des Modells mit geringem Aufwand zu nutzen. So könnte z.B. immer zu einem bestimmten Termin im Voraus eine bestimmte Energiemenge für eine bestimmte Periode beschafft werden, es sei denn der Preis liegt einen bestimmten Betrag über einem vorher definierten Limit. Auf diese Weise können auch kleine und mittelgroße Energiekunden das Tranchenmodell nutzen ohne, dass sie ein eigenes aufwändiges Beschaffungsmanagement oder einen professionellen Marktanalysten benötigen.

Restmengen

Der Großteil des prognostizierten Bedarfs kann durch die o.g. Produkte gedeckt werden. In den jeweiligen Grafiken heißt dies praktisch, dass man versucht, den prognostizierten Bedarf so gut wie möglich mit Rechtecken (Tranchen) auszufüllen.

Häufig ändern sich jedoch kurzfristig Prognosen. Je näher man an den Verbrauchszeitpunkt herankommt, desto genauer können Prognosen sein. Aber auch dann können nicht immer alle Bedarfsmengen exakt vorhergesehen werden. Es ergibt sich dann ein Restbedarf.

Um diesen Restbedarf zu decken, gibt es verschiedene Optionen.

Mit der sog. Residual- oder Restmengenlieferung können offene Mengen kurzfristig über den Spotmarkt gedeckt und zu Spotmarktpreisen abgerechnet werden. Dies geschieht entweder im Day-Ahead-Markt für Stundenkontrakte am Vortag oder im Intraday-Markt bis 30 Minuten vor Lieferbeginn der Menge und für Zeitspannen von Viertelsunden- bis Stundenkontrakte.

Die Restmengenlieferung ist eine optimale Ergänzung zum vertikalen Tranchenmodell oder zur Fahrplanlieferung.

Abbildung 4: Deckung des realen Bedafs durch kurzfristige Restmengen

Toleranzmengen

Alternativ kann die Aufnahme einer Toleranzgrenze zur vertraglich vereinbarten Liefermenge zur Begrenzung des Mengenänderungsrisikos vereinbart werden. Ausgehend vom prognostizierten Verbrauch wird eine Toleranzgrenze von z.B. ± 10% festgelegt. Innerhalb dieser Toleranzgrenze wird der tatsächliche Verbrauch zum vereinbarten Bezugspreis abgerechnet. Überschreitungen und Unterschreitungen werden je nach Vertragsgestaltung pönalisiert (i.d.R. teurer abgerechnet) oder zum aktuellen Marktpreis abgerechnet.

Diese Regelung eignet sich besonders als Ergänzung zur Fahrplanlieferung, da es zwischen dem Prognoseverbrauch und dem realen Verbrauch immer wieder zu Abweichungen kommt. So fängt die Toleranzgrenze kurzfristige Schwankungen im realen Verbrauch ab.

Die Aufnahme einer Toleranzgrenze in einen Vertrag führt zu einem besseren Energiepreis, da der Lieferant sein Marktpreisrisiko reduziert. Auch der Abnehmer profitiert davon, da die Toleranzgrenze kurzfristige Schwankungen bei größtmöglicher Preissicherheit (Abrechnung zum Bezugspreis) ermöglicht. Für den Abnehmer optimal wäre die Option, dass die Mengen bei Unterschreitungen zum Marktpreis erstattet werden.

Abbildung 5: Energielieferung mit Toleranzgrenzen

In diesem Modell ist es wichtig, dass der Energiekunde möglichst treffsichere Bedarfsprognosen erstellen kann, da ansonsten Abweichungen zu entsprechend höheren Preisen beschafft (oder abgegeben) werden müssen.

Fazit:

Mit der strukturierten Beschaffung haben Unternehmen die Möglichkeit, an Preisschwankungen des Marktes zu partizipieren und die benötigten Mengen zu günstigen Zeitpunkten zu beschaffen. Ziel ist aus Sicht des Kunden immer ein möglichst niedriger Bezugspreis, der unterhalb des durchschnittlichen Marktpreises liegt. Abhängig von der Beschaffungsstrategie wird der Bedarf durch die Kombination verschiedener Produkte bei unterschiedlichen Lieferanten gedeckt. Da jedoch die handelbaren Standardprodukte den realen Lastgang nicht vollständig abdecken, können Abweichungen durch Toleranzen abgefangen werden, bzw. erfolgt die Deckung des Restbedarfs über Restmengenlieferung (Spotmarkt).

Bei der Frage, ob sich diese Beschaffungsform rentiert, müssen neben den Risiken die zusätzlichen Transaktionskosten berücksichtigt werden. Diese entstehen entweder im Unternehmen als administrativer und personeller Aufwand oder durch die Inanspruchnahme externer Dienstleister und liegen in diesen Modellen für den Kunden deutlich über den Transaktionskosten einer Vollversorgung.

Die Flexibilität der strukturierten Beschaffung kann noch weiter ausgebaut werden. Man spricht dann häufig von sog. Portfoliomanagement, das sich als Weiterentwicklung der strukturierten Beschaffung begreifen lässt. Im 3. Teil der Serie gehen wir darauf ein, was charakteristisch für diese Beschaffungsform ist.

Vertragsstrukturen im Energiegroßhandel | Teil 1: Vollversorgung

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Seit der Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes und der damit verbundenen Ausweitung des Wettbewerbs ist die Bedeutung des Energiehandels in der Wertschöpfungskette im Energiesektor sukzessive gewachsen.

Zu den Marktteilnehmern am Energiegroßhandel gehören große Energiekonzerne, große und mittlere Stadtwerke, Industrie- und Handelsunternehmen sowie große Finanzinstitute. Nachfrager nach Energie können mittlerweile aus weit über 1.000 Energieanbietern auswählen.  Auf die zunehmende und differenzierte Nachfrage nach Energie sowie den zunehmenden Wettbewerb reagieren Energieversorger mit einem immer vielfältigeren Produkt- und Dienstleistungsangebot. Jedoch unterscheiden sich diese oft nur noch im Detail voneinander.

War vor der Liberalisierung der Vollversorgungsvertrag das vorherrschende Versorgungsmodell, konnten sich aufgrund der Entwicklung von Großhandelsmärkten weitere Modelle, wie die strukturierte Beschaffung und das Portfoliomanagement entwickeln.

Ziel dieser Serie ist es eine Einteilung der gängigsten Individualverträge sowie deren Charakterisierung. Die Kategorisierung der Vertragsarten kann auf unterschiedliche Weise erfolgenden, insofern ist die hier verwendete Einteilung nur eine von verschiedenen Möglichkeiten.

Abb. 1: Übersicht der individuellen Handels- und Lieferverträge im Energiemarkt

Im Rahmen dieser Blog-Serie werden daher in Teil 1 die Vollversorgung, in Teil 2 die komplexere strukturierte Beschaffung und in Teil 3 das Portfoliomanagement näher beleuchtet. Anschließend werden in Teil 4 die Dienstleistungen, welche häufig im Rahmen des Energiehandels und der Energielieferung angeboten werden, erläutert und in Teil 5  soll beispielhaft gezeigt werden, wie diese Verträge aufgebaut sind und wie diese abgerechnet werden können.

In unseren Erläuterungen beziehen wir uns auf den Handel im Strommarkt.

Grundlagen individueller Handels- und Lieferverträge

Energiehandel findet auf der Basis von individuellen Handels- bzw. Lieferverträgen statt, wobei die geschlossenen Handelsverträge Kaufverträge im Sinne des BGBs sind. Lieferverträge etablieren bei langfristigen Lieferungen aufgrund der anhaltenden (fortwährenden) Lieferbeziehung ein Dauerschuldverhältnis.

Energielieferung und -transport können zusammenfallen, müssen aber nicht, d.h. der Energiehändler ist nicht zwangsläufig auch der Transporteur (sog. Shipper).

Für die Energiehandelsverträge ist regelmäßig das BGB anzuwenden, des Weiteren gilt die Vertragsfreiheit. So können Laufzeit, Preise, Vertragsmodalitäten sowie Kündigungsfristen frei ausgehandelt werden. Typischerweise werden Energiehandelsverträge in der Großhandelsstufe zwischen Unternehmen geschlossen. Für Haushaltskunden, bzw. Tarifkunden kommen die Produkte des Energiegroßhandels i. d. R. nicht in Frage, da hier eine Belieferung im Rahmen der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht erfolgt, eine geringe Leistung benötigt wird, ein geringer Verbrauch vorliegt und einzelne Produkte Mindestverbrauchsmengen haben. Sondervertragskunden hingegen haben einen hohen Verbrauch, benötigen eine hohe Leistung und haben häufig weitere besonders Anforderungen an den Modus der Belieferung mit Energie.

Risiken im Energiehandel

Generell sind bei der Beschaffung von Energie zwei wesentliche Arten von Marktrisiken relevant, mit denen in verschiedenen Vertrags- und Preismodellen unterschiedlich umgegangen wird:

  • Preisrisiko: Im Lieferzeitraum können Energiepreise stark schwanken. Im Rahmen des Liefervertrags muss entschieden werden, welche Seite – Lieferant oder Kunde – dieses Risiko in welchem Ausmaß trägt. Spannend ist diese Frage deshalb, weil Preisschwankungen in beide Richtungen stattfinden können: Der Börsenpreis kann sinken und er kann steigen.
  • Mengenrisiko: Unabhängig von jeglicher Prognose kann der tatsächlich benötigte Energiebedarf von der Prognose abweichen. Die Frage ist hier, wer dieses Risiko – gerade auch im Zusammenhang mit festen Preisen – trägt: der Lieferant (der eventuell zu höheren Preisen Energie nachbeschaffen muss) oder der Energieabnehmer (der eventuell mehr oder weniger Energie benötigt als ursprünglich gedacht).

Darüber hinaus gibt es weitere Risiken, auf die hier jedoch nicht weiter detailliert eingegangen werden soll. Zu diesen Risiken zählen das Kreditrisiko (wer trägt das Risiko im Falle des Zahlungs- oder Lieferausfalls?), operative Risiken und rechtliche Risiken.

Die Vollversorgung

Den Anfang dieser Reihe macht die Vollversorgung, als einfachste Form der Beschaffung, bei der der gesamte Bedarf durch einen einzigen Versorger abgedeckt wird. Egal, wann eine Kunde Energie benötigt, egal, wie viel Energie der Kunde benötigt, der Lieferant stellt die Energie bereit. Neben der reinen Energielieferung umfassen derartige Verträge ggf. weitere versorgungsbezogene Leistungen wie die Netznutzung, Regelenergie oder die Bilanzierung. Der Preis setzt sich somit aus der Energielieferung, der Netznutzung, der flexiblen Energiebereitstellung und Aufschläge des Versorgungsunternehmens zusammen.

Vollversorgung lässt sich anhand einer Reihe unterschiedlicher Modelle bepreisen. Die Modelle unterscheiden sich im Wesentlichen in der Starrheit des Preises im Lieferzeitraum. Ein fester Preis schafft für Lieferanten und Energieabnehmer zwar einerseits Sicherheit (keine Überraschungen durch Preisschwankungen in der Lieferbeziehung), lässt aber andererseits Marktentwicklungen vollständig außen vor. Sinkende oder steigende Beschaffungspreise an der Börse z.B. schlagen sich bei einem festen Preis so nicht auf die Lieferbeziehung nieder.

Das kann für einen Kunden aufgrund des Ausschlusses des Preissteigerungsrisikos interessant sein, andererseits kann ein Kunde auf diese Weise auch nicht von sinkenden Börsenpreisen profitieren. Sämtliche derartige Effekte und Risiken trägt der Lieferant.

Festpreisvertrag

Beim Vollversorgungsvertrag wird oft nur ein Gesamtpreis vereinbart, der sich aus einem Arbeitspreis (ct/kWh) und einem Grundpreis (€/Monat o. €/Jahr) zusammensetzt. Der Arbeitspreis beinhaltet die Preisbestandteile der Energielieferung und der Grundpreis die versorgungsbezogene Leistungen. Diese Variante wird als Festpreisvertrag bezeichnet und stellt den Standard der Vollversorgung dar. Die Vertragslaufzeit beträgt ein bis drei Jahre.

Dieses Vertrags- bzw. Preismodell eignet sich für kleine bis mittlere Unternehmen, da kaum Marktwissen oder Personalressourcen für die Energiebeschaffung notwendig sind. Der Festpreis und das durch die Versorger getragene Mengenrisiko ermöglichen dem Unternehmen eine maximale Planungssicherheit. Aufgrund eines Festpreises sind die Anteile der einzelnen Preisbestandteile sehr intransparent und für den Kunden kaum nachzuvollziehen. Sowohl für den Lieferanten als auch für den Kunden liegt bei diesem Vertragstyp die Herausforderung im Wesentlichen im Preisänderungsrisiko: Es besteht die Gefahr, dass zum Fixierungszeitpunkt das Preisniveau am Markt zu hoch ist (schlechter Beschaffungszeitpunkt aus Sicht des Kunden) oder eine Preisentwicklung mit sinkenden Preisen. Der Kunde hat aufgrund der Stichtagsbeschaffung keine Möglichkeit der Risikodiversifizierung. Die Interessenlage des Lieferanten ist entsprechend umgekehrt.

Die folgende Abbildung zeigt ein Szenario, in dem zum Fixingzeitpunkt ein relativ niedriger Preis vereinbart wurde, der Börsenpreis in der Folge häufig und teilweise signifikant über dem vereinbarten Lieferpreis liegt. Es ist offensichtlich, dass der Energiebezieher in diesem Szenario sehr gut gestellt, der Lieferant entsprechend schlecht gestellt ist.

Abb.: Stichtagsbeschaffung des Festpreises

Vertrag auf Basis eines variablen Preises

Um das oben dargestellte Preisrisiko zu reduzieren, werden Strom- und Gasprodukte auf Basis von Preisformeln angeboten. Dabei kann die zu beschaffende Energiemenge als Gesamtmenge oder in Teilmengen fixiert werden. So können Kunden die benötigte Energie flexibler beschaffen und das Marktrisiko auf mehrere Bezugszeitpunkte verteilen. Eine marktübliche Preisformel ist z.B.:

α · PBase + β · PPeak + z = Formelpreis

PBase aktueller Preis des Börsenproduktes Base
PPeak aktueller Preis des Börsenproduktes Peak
α 1. Kann ein Gewichtungsfaktor  sein. α  ist umso größer je geringer die Stromabnahme in den Hauptverbrauchszeiten ist oder
2. Kann als Koeffizient weitere Aufschläge berücksichtigen
β 1. Gewichtungsfaktor: 1-α  = β oder
2. Kann als Koeffizient weitere Aufschläge berücksichtigen
z Aufschläge(in ct/kWh) des Lieferanten zur Kostendeckung und Risikoabsicherung

Durch Einsetzen der jeweils aktuellen Terminmarktpreise in die Formel wird der aktuelle Bezugspreis ermittelt. Erscheint der momentane Terminmarktpreis günstig, kann der Strom zum Formelpreis (Bezugspreis) bezogen werden.

Beispiel α und β sind gewichtet:

α = 0,7 und  β = 0,3

Fixingzeitpunkt PBase €/MWh PPeak €/MWh Formelpreis €/MWh
02. Sep 28,82 38,98 33,88
24. Sep 30,99 41,65 34,19
11. Nov 32,00 44,12 35,64

Der Bezugspreis BP ist der Durchschnitt der Formelpreise.

BP = 33,88 + 34,19 + 35,64 = 103,71 : 3 = 34,57 €/MWh

Im Lieferzeitraum wird die Energie dann flexibel geliefert und zum ermittelten Bezugspreis abgerechnet.

Horizontales Tranchenmodell

Der Preis kann allerdings auch über den mengen-gewichteten Durchschnitt gebildet werden. Diese Möglichkeit besteht im Rahmen des horizontalen Tranchenmodells. Im Beschaffungszeitraum können strukturgleiche Tranchen (z.B. nur Jahresprodukte) zu günstigen Zeitpunkten gefixt werden. Dabei wird häufig die Anzahl der Tranchen (i.d.R. nicht mehr als 10) vorab vertraglich festgelegt. Am Ende des Beschaffungszeitraumes wird der Bezugspreis als mengen-gewichteter Durchschnittpreis ermittelt. Die Energielieferung erfolgt dann flexibel und wird zum Bezugspreis abgerechnet.

Beispiel: Fixierung von 4 Tranchen

Fixingzeitpunkt Tranchenmenge in MWh Preis in €/MWh Gesamtsumme in €
02. Sep 1.700,00 28,82 48.994,00
24. Sep 1.700,00 30,99 52.683,00
11. Nov 1.700,00 32,00 54.400,00
03. Jan 1.700,00 20,67 35.139,00
 ∑ 6.800,00   191.216,00
  Bezugspreis = ∑ Gesamtsumme /  ∑ MWh 28,12 €/MWh

Abb. 3: Mengengewichtete Preisbildung mit horizontalen Tranchen

Indizierung

Eine weitere Variante der variablen Preisbildung ist die Indizierung. Hierfür wird der Bezugspreis an einen Börsenpreis oder sog. Indexpreis gekoppelt. Der Preis für den Liefermonat ergibt sich in diesem Modell aus dem Durchschnitt der Notierungen des Preisbildungszeitraums und ist innerhalb eines vertraglich vereinbarten Zeitraums, z. B. des Liefermonats, gültig. Folglich variiert der Energiepreis im Lieferzeitraum. Die sich daraus ergebenden Preisschwankungen sind im unteren Diagramm als treppenförmige Preisentwicklung dargestellt.

Abb. 4: Bildung des Indexpreises

Abb. 5: Preisentwicklung des Indexpreises im Lieferzeitraum

Ergänzende Vertragsklauseln

Da der reale Verbrauch oft vom prognostizierten Verbrauch abweicht, können ergänzende Klauseln, wie die Take-or-Pay-Klausel darüber hinaus zusätzlich das vorhandene Mengenänderungsrisiko begrenzen. Hierbei verpflichtet sich der Kunde, eine bestimmte Mindestmenge (z.B. 80% der vereinbarten Liefermenge) auf jeden Fall abzunehmen.

Ausgangspunkt der Mindestmenge ist dabei i. d. R. der aufgrund historischer Lastprofile prognostizierte Strombedarf. Liegt der tatsächliche Energiebedarf dann unterhalb der definierten Schwelle, wird trotzdem die vereinbarte Mindestmenge abgerechnet. Auf diese Weise wird das Mengenänderungsrisiko auf den Stromabnehmer übertragen. Um auch dieses Risiko wiederum für den Kunden zu begrenzen, kann die ToP-Klausel erweitert werden. Kunden können mit einer entsprechenden Nachbezugs- und Rückverkaufsregelung bei einer Über- bzw. Unterschreitung falsch prognostizierte Mengen am Markt kaufen oder verkaufen. Nachbezugs- und Rückkaufregelungen beinhalten häufig für den Stromabnehmer bessere Konditionen als reine Marktkonditionen bieten würden.

Abbildung 6: Take-Or-Pay-Klausel

Zusammenfassung

Damit sind die wesentlichen Vertragsmodelle der Vollversorgung dargestellt. Generelles Ziel der klassischen Vollversorgung ist aus Sicht des Kunden eine risikoarme Beschaffung mit langfristiger Planungssicherheit. Durch die Stichtagsbeschaffung zum Festpreis ist die Vollversorgung jedoch recht unflexibel. Der Kunde kann auf diese Weise zwar Preissteigerungsrisiken weitgehend ausschließen, kann aber andererseits von Marktentwicklungen wie sinkenden Preisen nicht profitieren.

Um diese starren Regelungen zumindest teilweise zu flexibilisieren, lassen sich verschiedene Preismodelle und ergänzenden Vertragsklauseln eingesetzen. Das kann in der Konsequenz dazu führen, dass die Vollversorgung flexibler gestaltet wird und das Risiko eines zu hohen Preises reduziert werden kann. Letzteres wird jedoch dann aber vom Kunden auch mit einem gewissen Preissteigerungsrisiko bezahlt.

Insgesamt handelt es sich bei der klassischen Vollversorgung, ergänzt oder nicht ergänzt um weitere Flexibilisierungsregelungen, um eine relativ starre Gestaltung des Energiebezugs. Eine größere Auswahl an Möglichkeiten der Flexibilisierung bietet jedoch die strukturierte Beschaffung bzw. das Portfoliomanagement.

Im 2. Teil der Serie werden daher die verschiedenen Vertragsmodelle der strukturierten Beschaffung erläutert.